In unserer Reihe #FreundedesHauses sprechen wir mit Menschen, mit denen wir freundschaftlich verbunden sind und die spannende Geschichten in Sachen Marketing zu erzählen haben. Als Marketing- und Innovationsberatung haben wir großen Respekt vor den diversen Erfahrungen vieler Menschen aus unserem Umfeld. Und vor allem interessiert uns, wie man gute Ideen neu und anders vertreibt. Einer dieser Menschen ist der Hamburger Musikproduzent Flo Bauer, der die Lichterkinder miterfunden hat – eines der erfolgreichsten deutschen Musikprojekte für Kinder.
Lichterkinder: Wer selbst kleine Kinder zu Hause hat, kommt an diesem Namen kaum vorbei. In deutschen Kinderzimmern gibt es nur wenige Musikprojekte, die aktuell populärer sind. Ihr wohl bekanntester Hit „Guck mal diese Biene da“ hat fast 140 Millionen Aufrufe auf YouTube, und der „Körperteil Blues“ ist mit fast 100 Millionen Views ebenfalls schon längst Kita-Evergreen. Zwischen Youtube-Mittanzvideos, Tonie-Figuren und Chor-Konzerten ist mittlerweile eine imposante Musikmarke mit eigenem Ökosystem entstanden.
Disclaimer: Der Autor dieses Artikels war gerade selbst auf einem Lichterkinder Konzert mit seiner Tochter. Wer Kindermusik nur halb ernst nimmt, sollte sich das mal anschauen. Denn die Szene ist groß geworden und die Lichterkinder sind, gerade in Hamburg, nur eines von mehreren erfolgreichen Kindermusikprojekten. Zeit, sich mit jemandem zu unterhalten, der echt Ahnung davon hat: Flo Bauer, einer der Produzenten hinter den Lichterkindern und jemand, der die Veränderung des Kinder-Musikmarkts miterlebt und vorangetrieben hat. Und vor allem als jemand, der mit seinem Team eine einzigartige Marke für Kinderzimmer, Kitas und bald auch Tanzschulen geschaffen hat.
Von Goethe zur Biene
Flo ist einer der kreativen Köpfe hinter den Lichterkindern. Zusammen mit seinen Partnern ist er Produzent und Vordenker hinter dem immer größer werdenden Projekt. Dass er einmal Kindermusik machen würde, war nicht unbedingt Teil des Plans. Eigentlich startete er Mitte der 1990er mit Rap, als dieser gerade in Hamburg allgegenwärtig war. Als Musiker probierte Flo im Laufe der Zeit viel aus. Auch als Songwriter und Produzent des Schulprojekts, ‚Junge Dichter und Denker‘, in dem Klassiker wie Goethe und Schiller in Rap-Form für Kids neu aufbereitet wurden. Damit startete die Faszination an der Arbeit mit Kindern.
Der Türöffner zur Kindermusik war der Song „Lichterkinder“. Zunächst eigentlich nicht mehr als Song für Kitas. „Mein Partner Achim hatte die Idee, aus dem Song ein richtiges Projekt zu machen, und irgendwann merkten wir: Da gibt es ein unglaubliches Potenzial,“ so Flo. Der „Lichterkinder“-Song und besonders der „Körperteil Blues“ verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. „Viral geht ja durchaus einiges in Kitas. Dass unsere Songs aber so durch die Decke gingen und sich selbst verbreiteten, war neu für uns.“ Die Lichterkinder waren geboren. Und mit ihnen Kinder-Tophits, wie „Die Biene„, die mittlerweile zum musikalischen Kanon in jedem Kinderzimmer gehört.
Die Lichterkinder-Erfolgsformel heißt Community
Was die Lichterkinder anders machen: Dass sie authentisch sind und Augenhöhe mit den Kids Musik machen und erleben wollen. Flo und sein Team haben früh erkannt, dass Kindermusik heute nicht nur für Kinder gemacht wird sondern mit ihnen. Neben spaßigen, gut tanzbaren Titeln mit Moral, baut die Lichterkinder-Erfolgsformel vor allem darauf auf, dass sich die Lichterkinder selbst als Teil einer Community verstehen. Nicht um Personen geht es sondern um das gemeinsame Feiern und Erleben von Musik als eine Art Pop-Erlebnis.
So entsteht die Musik und – mittlerweile – auch die Live-Shows in enger Kooperation mit Kinderchören und Kitas. Das spürt man zum Beispiel sofort, wenn man ein Konzert der Lichterkinder besucht. Dort steht selten die Band im Mittelpunkt, häufiger aber Kinderchöre oder kleine Sänger:innen, die sich trauen, vor Publikum zu performen. Ebenso wie Liki, die Figur „des Lichterkinds“, die als Symbol für Kinder zu verstehen ist. Im Fokus stehen immer die Kinder im Publikum oder die vor der Tonie-Box zu Hause. „Wir wollen keine Stars und keine Gesichter etablieren – weder bei uns noch bei den Kids. Wir schaffen nur einen sicheren Rahmen, bei dem Kinder Musik gemeinsam erleben können, und Spaß dabei haben. Mehr nicht.“, erklärt Flo.
„Mit der Kinderpartyeisenbahn, woll’n wir um die Erde fahrn. In unsrem Zug da geht es rund, denn die Welt ist kunterbunt.“
– Lichterkinder, Kinderpartyeisenbahn
Kindermusik wird erwachsen
Über 12% des Umsatz im deutschen Musikmarkt geht mittlerweile auf die Kappe von Kindermusik. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass der gesamte Hiphop-Bereich auf knapp 19% Marktanteil kommt. Und es ist ein wachsender Markt, der gerade von digitalen und sozialen Medien profitiert, aber auch von Erfindungen wie der Tonie Box, die sich speziell an Kids richtet. Aber das war nicht immer so. „Kindermusik wurde lange nicht ernst genommen, aber inzwischen sieht die Industrie das klar anders.“ erzählt er.
Hamburg ist dabei längst zur Hochburg für Kindermusik geworden. Vorbild und Ikone der Szene ist immer noch Rolf Zuckowski, der sogar in Hamburg geboren ist. Aber viele andere kommen nach. Neben den Lichterkindern machten in den letzten Jahren vor allem Deine Freunde in Kinderzimmern Furore, die u.a. aus Musikern der 1990er-Popbands „Echt“ und dem Produzententeam von „Fettes Brot“ bestehen. Und sogar „Türlich, Türlich“-Altstar „Das Bo“ rappt mittlerweile „Quatschmachen und Schlapplachen“ für Kids. Ist so: Auch Hamburger Hip-Hopper haben irgendwann Familien. „Da verändert sich was bei den Leuten persönlich.“ Hamburg scheint schon eine besondere Liebe für Kinder zu haben – auch musikalisch.
Marketing in Eigenproduktion
Braucht so ein Erfolgskonzept überhaupt Marketing? „Natürlich, wenn wir das auch selten so nennen würden“, antwortet Flo.
Denn bei den Lichterkindern fließt in Sachen Content-Strategie alles ineinander. Social Media und Konzertmitschnitte, Chöre und tanzbare Videos, Videoproduktionen und Live-Touren. Und nicht nur da: Auch die frühe Kooperation mit der Hörspielbrand Tonies war ein absoluter Glücksfall. „Wir haben Tonies ganz früh sehr geil gefunden und die einfach angeschrieben.“ Mittlerweile gibt es schon vier eigene Lichterkinder Tonies – also kleine Figuren, die Kinder in ihrem Kinderzimmer zum Mitmachen auf ihre Tonie-Box stellen können. Tanzbar sein und Spaß machen muss dabei alles von den Lichterkindern: „Wir haben beispielsweise für unsere Youtube Videos einen uniquen Style gefunden, der gut zu uns passt und der die Kids zum Tanzen einlädt. Die werden immer als Videos in einem blau gestrichenen Raum gedreht, damit da gar nichts ablenkt und die Performance der Kinder im Mittelpunkt steht.“ so Florian.
Das Rezept: Alles ist „hausgemacht“, sehr authentisch und wird immer mit Fokus auf die junge Fan-Community entwickelt oder von ihr inspiriert. Denn anders als in anderen Branchen geht es Flos Team hier nicht nur ums „Aussenden“ sondern vor allem ums „Empfangen“. Wo Kids der Dreh- und Angelpunkt sind, holen sich die Macher:innen die Inspirationen von denen ab, die dann „Konsument:innen“ sind. Und die sind meist ohnehin kreativer als die Profis.
„Jeder kann was gut, und ist in irgendwas ganz schlecht. Wir sind alle wie wir sind und so ist es perfekt.“
– Lichterkinder, Superhelden
Aber die Distribution ist tatsächlich nur die eine Seite der Medaille. Flo betont in dem Gespräch immer wieder, wie wichtig der Input von den Kindern für sie als Kreative ist. Und das geht heute eben auch über digitale Medien: „Social Media hat für uns einen riesen Wert, weil über TikTok, Instagram und YouTube unglaublich viele tolle Momente von Kindern, Eltern, Erzieherinnen oder Videos aus Tanzauftritten zu sehen bekommen.“
Aber auch im Zusammenspiel mit den die Kinder begleitenden Eltern sind soziale Medien wichtig: „Unsere Videos zeigen oft Erlebnisse von Konzerten und ungestellte Momente – genau das kommt bei den Eltern gut an, weil sie wissen möchten, was sie und ihre Kinder bei unseren Konzerten erwartet,“ findet Flo.
Und erwarten tut Eltern und Kinder immer mehr. Denn das Lichterkinder Ökosystem wächst und gedeiht. Und das nicht nur digital sondern auch ganz analog. So gibt es in Hamburg bereits den ersten eigenen Lichterkinder-Chor und auch die ersten Chor-Konzerte starten in der Weihnachtszeit 2024. Auch ein Online Portal für Lichterkinder Tanzkurse entsteht, durch das künftig auch die Zusammenarbeit mit Tanzschulen möglich wird. Viele weitere Ideen sind in der Planung.
Für Flo geht es aber nicht um „Touchpoints“. „Das Feedback all der Kinder da draußen berührt uns sehr und inspiriert uns immer wieder für neuen Content. Views und Klicks sind toll, aber am Ende zu sehen was in der echten Welt alles so abgeht mit unseren Liedern und Videos ist unglaublich.“
Lichterkinder: Kids suchen Spaß auf Augenhöhe
Für jemanden, der Kinder mag, kann Flo schon wie jemand wirken, der seine Bestimmung gefunden hat und der die Welt besser macht. Als junger Vater kann er von zu Hause Inspirationen mitnehmen und neue Ideen direkt „testen“. Kinder spielen privat eine zentrale Rolle bei ihm und auch beruflich. „Bei unseren Konzerten im Sommer habe ich meine Tochter einfach in die Trage umgeschnallt und habe unser Konzert mitgefilmt.“ Da kommt ausnahmsweise mal bei jemandem Kind und Karriere tatsächlich als etwas zusammen, was zusammen gehört.
Aber es wirkt schon so, als ob die Lichterkinder vieles von dem, was gutes Marketing machen sollte, perfekt umsetzen, ohne dass sie dies umfassend planen müssten. „Die Marke Lichterkinder“ entwickelt sich als Community Brand mit den kleinen Fans, die sie konsumieren und die sie eben auch selbst schaffen. Jedes hochgeladene Tanzvideo, jeder Chor, jede Kita kann ein Teil des Lichterkinder-Erlebnisses werden und damit eben auch zum Teil des „Produkts“. Was andere Content-Ökosystem nennen würden, ist für die Lichterkinder einfach die nächste gute Idee. Beneidenswert.
Natürlich würde Flo die Lichterkinder nie als „Produkt“ bezeichnen. Tatsächlich ist es weit mehr als das. Wer einmal schon die Energie auf einem der Konzerte gespürt hat, versteht schnell, worum es geht: Echte, tolle, wertvolle Tanzerlebnisse für Kinder. Und wie man die begeistert, weiß wohl niemand besser als Flo und sein Team: „Sei authentisch, bring echte Leidenschaft für Kids mit. Kinder spüren sofort, ob du wirklich hinter dem stehst, was du machst – und die Eltern auch.“
Vielen Dank, Flo, für das Gespräch und eure tolle Arbeit.
Lichterkinder heißt eines der erfolgreichsten Kinderprojekte Deutschlands. Die Videos findet ihr hier auf Youtube. Die Musik auf Spotify und wer sich auch für die Tonies der Band interessiert, die gibt es hier.
Bildnachweis
- Alle Bilder direkt von den Lichterkindern